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Freitag, den 27. Juli 2012 um 06:59 Uhr

Verschränkung mit Signalwirkung

LMU/MPQ-Wissenschaftler entwickeln ein System, das die Verschränkung von stationären Quantensystemen anzeigt, ohne diesen Zustand zu zerstören. Das Experiment ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg, Quanteninformation über große Entfernungen zu übertragen.



Die derzeit von theoretischen und experimentellen Quantenphysikern konzipierten Quantennetzwerke werden aus stationären Knoten bestehen, zwischen denen Lichtquanten die Quanteninformation über Glasfasern transportieren. Eine Schlüsselfunktion für die Kommunikation über weite Strecken hat dabei die quantenmechanische Verschränkung zwischen den stationären Quantensystemen. Allerdings werden die Lichtsignale, über die Verschränkung erzeugt werden soll, in den optischen Fasern abgeschwächt, was die Ausdehnung solcher Quantennetzwerke begrenzt. Einen Ausweg bieten sogenannte „Quantum Repeater“, die durch die Weitergabe der Verschränkung über viele kleine Abschnitte einen verschränkten Zustand über eine große Entfernung erhalten können. Eine Gruppe von Wissenschaftlern um Dr. Wenjamin Rosenfeld (Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching, MPQ), Dr. Markus Weber (Ludwig-Maximilians-Universität München, LMU) und Prof. Harald Weinfurter (LMU und MPQ) hat jetzt eine elementare Komponente für einen solchen „Quantum Repeater“ realisiert. Die Wissenschaftler verschränken zwei Rubidium-Atome über eine Entfernung von 20 Metern in einer Weise, dass sie ein Signal erhalten, wenn dieser Vorgang erfolgreich war (Science, 6. Juli 2012; DOI:10.1126/science.1221856).

Im Gegensatz zu klassischen Objekten, die z.B. entweder schwarz oder weiß sind, tragen Quantenteilchen zunächst beide „Farben“. Erst im letzten Moment, beim Messvorgang, entscheiden sie sich für eine der beiden möglichen Eigenschaften. Noch erstaunlicher wird diese Unbestimmtheit, wenn zwei Quantenobjekte einen gemeinsamen „verschränkten“ Zustand bilden, in dem ihre Eigenschaften fest verknüpft (quantenkorreliert) sind. Wird dann in einer Messung der Zustand eines Teilchens, z. B. die Polarisation eines Photons, bestimmt, dann wissen wir auch sofort, welche dieser beiden Einstellungen am Partnerteilchen beobachtet wird, unabhängig von der Entfernung zwischen den Teilchen. Diese scheinbare Fernwirkung ist unvereinbar mit der auf lokaler Kausalität beruhenden Informationsübertragung in der klassischen Welt, was der irische Physiker John Bell 1964 in Form einer mathematischen „Ungleichung“ formulierte.

Mit Hilfe der Verschränkung lassen sich zum einen abhörsichere Kommunikationskanäle zwischen zwei Knoten in einem Quantennetzwerk verwirklichen. Denn ein Lauschangriff würde die Verschränkung sofort zerstören, und die Folge wäre, dass die Korrelation der Messergebnisse an beiden Knoten nachweisbar abnimmt. Eine andere potentielle Anwendung der Verschränkung ist die Teleportation, die Übertragung von Quantenzuständen über weite Strecken. Ein Problem dabei ist, dass ein großer Teil der Photonen, welche die Verschränkung der Knoten vermitteln sollen, in den optischen Fasern verloren gehen. Die Forscher um Harald Weinfurter haben jetzt eine erste Komponente eines quantenmechanischen Systems entwickelt, das solche Verluste ausgleichen soll.

Die Idee dabei ist, zwischen zwei räumlich weit entfernten Atomen mit Hilfe von Photonen eine Verschränkung zu erzeugen und diese dann an nachfolgende Atome (bzw. stationäre Quantensysteme) weiterzugeben. Dazu werden zwei jeweils in einer optischen Dipol-Falle gefangene Atome mit Laserstrahlen zum Leuchten angeregt. Dabei ist der Polarisationszustand des ausgesandten Photons mit dem Quantenzustand des emittierenden Atoms verschränkt. Von den beiden Atomen gelangen die Photonen über je eine Glasfaser zu einem Strahlteiler – einem halbdurchlässigen Spiegel –, wo sie interferieren. Die gleichzeitige Messung von zwei Photonen an unterschiedlichen Ausgängen des Strahlteilers signalisiert, dass die Verschränkung erfolgreich war. Erhält man dieses Koinzidenz-Signal nicht, so wird der Vorgang wiederholt. „Wir benötigen rund eine Million Versuche“, veranschaulicht Weinfurter die experimentellen Schwierigkeiten bei diesem Verfahren, die sich vor allem durch Verluste beim Einkoppeln der Photonen in die Glasfasern ergeben. „Die Bestätigung der Verschränkung erleichtert es, viele Systeme dieser Art wie die Glieder einer Kette hintereinander zu schalten und somit die Verschränkung über die gesamte Kette zu erzeugen. Ohne dieses Signal müssten wir beim Aufbau einer Kette ein viel aufwendigeres Verschränkungsverfahren anwenden“, sagt Weinfurter.

Da die beiden Einzel-Atom-Systeme in dem Experiment unabhängig voneinander funktionieren, lässt sich der experimentelle Aufbau zu größeren Entfernungen skalieren. Die Wissenschaftler hoffen, damit in wenigen Jahren zwei stationäre Quantensysteme über eine Entfernung von bis zu 400 Metern miteinander zu verschränken. Damit sind sie vielleicht in der Lage, eine schon 1935 von Albert Einstein entfachte Kontroverse zu beenden. Einstein bezweifelte die „Unentschiedenheit“ der Quantenteilchen und die Rolle des Beobachters bei der Festlegung ihrer Eigenschaften. Gemeinsam mit den Physikern Boris Podolski und Nathan Rosen schlug er vor, dass die Eigenschaften schon vor der Messung in den Teilchen „verborgen“ liegen. Das neue Experiment könnte nun die Gültigkeit einer derartigen Theorie mittels der oben erwähnten Bell’schen Ungleichung zweifelsfrei testen. [OM]


Den Artikel finden Sie unter:

http://www.mpq.mpg.de/cms/mpq/news/press/12_07_13.html

Quelle: Max-Planck-Institut für Quantenoptik  (07/2012)


Originalveröffentlichung:
Julian Hofmann, Mic hael Krug, Norbert Ortegel, Lea Gérard, Markus Weber, Wenjamin Rosenfeld und Harald Weinfurter
Heralded Entanglement between Widely Separated Atoms
Science, 6. Juli 2012; DOI:10.1126/science.1221856

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