Volltextsuche

Top Suchbegriffe



Dienstag, den 20. März 2012 um 15:39 Uhr

Weshalb "Katzendreckgestank" so schwer zu lokalisieren ist

Luftschadstoffe reichern sich an der Südseite des Erzgebirges oft an bevor sie dann mit einiger Verzögerung vom nordböhmischen Industriebecken über den Kamm nach Sachsen „schwappen“. Diese geografische Besonderheit erschwert es häufig, die Herkunft des gefürchteten „Katzendreckgestanks“ im Einzelfall zu klären und bestimmten Havariefällen in tschechischen Chemiefabriken zuzuordnen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (IfT). Im Auftrag des Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) hatten die Wissenschaftler mit Transportmodellen die Ausbreitung der Schadstofffahnen verfolgt.
Ihre Ergebnisse stellen die Forscher auf der Fachtagung METTOOLS vor, die vom 20. bis 22. März an der Universität Leipzig stattfindet.

Vor allem im Herbst und Winter treten seit Jahrzehnten in den grenznahen Gebieten Sachsens Geruchsbelastungen auf. Als Verursacher gelten die Industrieanlagen im benachbarten Tschechien. Im nordböhmischen Industrierevier unterhalb des Erzgebirges wird seit über 100 Jahren Braunkohle gefördert und verarbeitet. Dazu kam ab den 60er Jahren noch die Petrolchemie dazu. Beide verursachten enorme Luftbelastungen. Ab den 1990er Jahren wurden viele alte Industrieanlagen stillgelegt, Filter nachgerüstet oder moderne Anlagen errichtet. Der Schadstoffausstoß ging stark zurück. Allein die Schwefeldioxid-Emissionen sanken von 1999 bis 2004 um 91 Prozent. Der Wald auf dem Erzgebirgskamm erholte sich wieder.

Die Anzahl der Beschwerden sank dadurch langfristig. Dennoch sorgt der so genannte "Katzendreckgestank" bei Bewohnern des Erzgebirges und Vogtlands von Zeit zu Zeit immer noch für Unmut. Ursache dafür sind vermutlich Schwefelverbindungen im Rohöl, die zusammen mit Rauchgasen den unangenehmen Geruch verursachen. Im Sommer 2010 hatten Vertreter der "Bürgerinitiative für saubere Erzgebirgsluft" in Brüssel rund 11.000 Unterschriften an das EU-Parlament übergeben, um gegen die Situation zu protestieren. 2011 waren sechs mal mehr Beschwerden als im Vorjahr eingangen. Bis zum 9. November wurden an 87 Tagen 360 Beschwerden über Geruchsbelästigungen bei den Behörden registriert. Hauptursache waren lang anhaltende Hochdruckwetterlagen mit niedrigen Windgeschwindigkeiten im Oktober und November. Der Freistaat Sachsen hat daher ein Sondermessprogramm aufgelegt und auch die Troposphärenforscher in Leipzig beauftragt.

Die Wissenschaftler des IfT untersuchten nun die Ausbreitung der Luftschadstoffe mit Hilfe von Computermodellen, die die vorhandenen Strömungen und die Abluftfahnen der Verursacher sichtbar machen. 2010 wurden an 26 Tagen insgesamt 60 Beschwerden registriert. Über die Hälfte davon entfielen auf den 10. November 2010. An diesem Tag kam es in der Nahe von Karlovy Vary (Karlsbad) zu einem Zwischenfall im Druckgaswerk Vresova, von dem sich eine Geruchswolke später nach Norden und Osten über das Erzgebirge Richtung Sachsen ausbreitete. "Dabei zeigte sich, dass der Wind zunächst aus Westen kam und sich die Luftmassen am Boden des Egertales anstauten, bevor der Wind dann auf Südwest drehte und die emissionsbelastete Luft über den Gebirgskamm nach Sachsen "herüberschwappte", erklärt Michael Jähn vom IfT. Zwar ist es allein mit den Computermodellen nicht möglich, einen Verursacher zu überführen, da die Geruchsstoffe meist nicht auf direktem Weg von der Industrieanlage zu den betroffenen Gemeinden ziehen, sondern viele Quellen die Schadstoffwolke vorher anreichern können. "Die Nutzung von diesen Trajektorienmodellen zusammen mit Traceranalysen kann aber helfen, die Schadstoffquellen zu ermitteln, die die Geruchsbelästigungen im Erzgebirge und Vogtland verursachen", betont Dr. Beate Sändig vom IfT, die zusammen mit ihren Kollegen das dreidimensionale Transportmodell, das auch schon zur Verfolgung von Saharastaub genutzt wurde, auf die Situation im deutsch-tschechischen Grenzgebiet angepasst hat. Die Ergebnisse der Computermodellierung unterstreichen, dass es besonders dann zu Geruchsbelästigungen kommen kann, wenn sich Temperaturinversionen auflösen und/oder zunehmender Wind dafür sorgt, dass die mit Schadstoffen angereicherte Luft aus dem Böhmischen Becken über den Erzgebirgskamm nach Sachsen strömt.


Den Artikel finden Sie unter:

http://idw-online.de/de/news468569

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft / Leibniz-Institut für Troposphärenforschung e. V.  (03/2012)



Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.
Weitere Informationen zu Cookies erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.