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Freitag, den 10. Februar 2012 um 06:56 Uhr

Mini-Galaxie frisst Begleiter

Astronomen haben zum ersten Mal eine Zwerggalaxie beobachtet, die gerade dabei ist, sich eine andere, noch kleinere Galaxie einzuverleiben. Welche Rolle Verschmelzungen für die Entwicklung der kleinsten Galaxien spielen, ist eine offene Frage. Nun haben zwei Forschergruppen unter Beteiligung der MPIA-Mitarbeiter David Martínez-Delgado und Michelle Collins unabhängig voneinander einen Beleg dafür gefunden, dass solche Verschmelzungen tatsächlich stattfinden. Ihre Untersuchungen nutzten vergleichsweise kleine Teleskope und stellen Beispiele für die erfolgreiche Zusammenarbeit von professionellen und Amateurastronomen dar.

Die heute allgemein akzeptierten Modelle der Galaxienentwicklung beruhen auf Kannibalismus und gigantischen Verschmelzungen von Sternsystemen: Kleinere Galaxien verschmelzen in mehreren Schritten miteinander, bis große Galaxien wie unsere Milchstraße oder ihre noch massereicheren Vettern entstanden sind. Bevor diese Kette von Verschmelzungen von Galaxien und ihren Sternen allerdings ihren Anfang nehmen kann, müssen überhaupt erst einmal Sterne vorhanden sein.

Diese ersten Sterne, so die Vorstellung, entstanden direkt, als Gaswolken unter ihrer eigenen Schwerkraft kollabierten; erreicht die Materie dabei eine bestimmte kritische Dichte und Temperatur, dann setzen Fusionsreaktionen ein und ein Stern ist geboren. Es ist vorstellbar, dass Galaxien der kleinsten bekannten Klasse, so genannte Zwerggalaxien, direkt auf diese Weise entstehen können – und dass sie dann erst einmal weiterwachsen, wenn weiteres Gas auf sie fällt, aus dem dann neue Sterne entstehen. Tatsächlich waren bei solchen Galaxien bislang keine Verschmelzungen beobachtet worden.

Jetzt aber haben gleich zwei Forschergruppen, eine unter der Leitung von David Martínez-Delgado vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA), die andere geleitet von Michael Rich von der University of California at Los Angeles (UCLA), unabhängig voneinander das erste gesicherte Beispiel für eine Verschmelzung zwischen zwei Mini-Galaxien beobachtet. Sie fanden deutliche Hinweise darauf, dass es sich bei einem kleinen, erstmals 2007 nachgewiesenen Begleitobjekt der Zwerggalaxie NGC 4449 im Sternbild Jagdhunde um eine noch kleinere Zwerggalaxie handelt, die kurz davor steht, von NGC 4449 verschluckt zu werden.

Martínez-Delgado sagt: »Eine Reihe von Modellen sagt vorher, dass Zwerge andere Zwerge verschlingen sollten. Jetzt haben wir solch eine Mahlzeit erstmals direkt beobachten können und so ein wichtiges Puzzlestück der Galaxienentwicklung gefunden. Außerdem ist uns NGC 4449 relativ nahe. Dies zeigt, dass solche Prozesse auch im heutigen Universum noch eine Rolle spielen. Sie müssen berücksichtigt werden, um unsere kosmische Nachbarschaft zu verstehen.«

Michelle Collins vom MPIA, die in der Rich-Gruppe die Form der Zwerggalaxie untersucht hat, fügt hinzu: "Jetzt wo wir wissen, wie eine halbverdaute Zwerggalaxie aussieht, sollten wir in der Lage sein, weitere Beispiele für Zwerge zu finden, die andere Zwerge verschlingen. Sobald hinreichend viele Beispiele gefunden sind, stehen unsere Modelle der ersten Stadien des Galaxienwachstums auf einer sicheren Grundlage – oder wir sehen daran, was den Modellen noch fehlt."

Massenschätzungen für den verzerrten Zwerg legen nahe, dass er beträchtliche Mengen an Dunkler Materie enthält, die kein Licht aussendet und mit herkömmlicher, atomarer Materie nur durch ihre Schwerkraft in Wechselwirkung tritt. Trifft dies zu, dann könnte es sich um eine "versteckte Verschmelzung" handeln, bei der eine Galaxie mit einem Objekt verschmilzt, dass leuchtschwach und dementsprechend nur schwierig nachzuweisen ist, aber aufgrund seiner hohen Masse trotzdem einen merklichen Einfluss auf Form, Größe und Dynamik der größeren Galaxie ausübt.

Beide Gruppen nutzten bei ihren Untersuchungen der verzerrten Galaxie vergleichsweise kleine Instrumente und arbeiteten zu diesem Zweck mit Amateurastronomen zusammen: Rich und seine Kollegen nutzten im Mai und Juni 2011 das Saturn Lodge 70 cm-Teleskop auf dem Gelände der Polaris Observatory Association, und Martínez-Delgado et al. nutzten zwischen April 2010 und Januar 2011 Jay GaBanys 50 cm-Teleskop am Black Bird Observatory. Martínez-Delgado und seine Kollegen führten außerdem im Januar 2011 Nachbeobachtungen mit dem SUBARU-Teleskop auf Hawaii durch und gewannen so Bilder, in denen einzelne Sterne der kleineren Galaxie zu sehen sind.


Den Artikel finden Sie hier:

http://www.mpia.de/Public/menu_q2.php?Aktuelles/PR/2012/PR120209/PR_120209_de.html

Quelle: Max-Planck-Institut für Astronomie (02/2012)


Der Artikel von Rich et al. erscheint in der Ausgabe der Fachzeitschrift Nature vom 9. Februar 2012. Der Artikel von Martínez-Delgado et al. ist im Druck bei der Fachzeitschrift Astrophysical Journal Letters.

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