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Freitag, den 19. April 2024 um 06:16 Uhr

Uranimmobilisierende Bakterien im Tongestein

Bei der Konzeption von Endlagern für hochradioaktive Abfälle in tiefen geologischen Schichten müssen verschiedene Faktoren sorgfältig berücksichtigt werden, um ihre langfristige Sicherheit zu gewährleisten. Unter anderem können natürliche Lebensgemeinschaften von Mikroorganismen das Verhalten der Abfälle beeinflussen, insbesondere, wenn sie in Kontakt mit Wasser geraten. Die Mikroorganismen interagieren mit freigesetzten Radionukliden und beeinflussen deren Mobilität. Forschende des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) haben sich einen Mikroorganismus genauer angeschaut, der in der Umgebung eines möglichen Endlagers vorkommt.

Wirtsgesteine, also Gesteine, die für eine dauerhaft sichere Lagerung von hochradioaktiven Abfällen in einem Endlager in Frage kommen, sind in Deutschland neben Steinsalz und Kristallingestein bestimmte Tongesteinsformationen. Dabei wird ein Multibarrierensystem bevorzugt, das aus dem Abfall-Container als technischer Barriere, dem Verfüllmaterial als geotechnischer und dem Wirtsgestein als geologischer Barriere besteht. Dieses System soll den radioaktiven Abfall von der Umwelt isolieren.

„Die Kombination von Tonformationen mit dem aus verschiedenen Tonmineralen bestehenden Füllmaterial Bentonit ist ein Beispiel für ein solches System. Wir wissen, dass im Wirtsgestein und im Füllmaterial sogenannte sulfatreduzierende Mikroorganismen gleichermaßen vorkommen. Einen Vertreter der Gattung Desulfosporosinus haben wir in unserer Arbeit näher untersucht. Dabei hat uns insbesondere sein Einfluss auf eventuell im System Bentonit-Ton vorhandenes Uran interessiert“, erläutert Dr. Stephan Hilpmann vom Institut für Ressourcenökologie am HZDR.

Uran kann in einer Vielzahl von Verbindungen auftreten und dabei verschiedene Oxidationsstufen annehmen. In natürlichen Vorkommen findet man Uran hauptsächlich in vier- und sechswertiger Form. Unter normalen Bedingungen sind vierwertige Uranverbindungen – im Gegensatz zu den sechswertigen – praktisch unlöslich in Wasser. Uranverbindungen sind giftig, wobei die Toxizität hauptsächlich von ihrer Löslichkeit abhängt. Dieses unterschiedliche Verhalten der Verbindungen mit verschiedenen Oxidationszuständen ist für das Verständnis der Vorgänge im Endlager von großer Bedeutung.

Mikrobielles Abwehrverhalten holt Uran aus dem Wasser

Desulfosporosinus lebt unter anaeroben Bedingungen, das heißt, es gedeiht nur unter Luftabschluss. So können die Forschenden den Mikroorganismus unter realitätsnahen Bedingungen erforschen, wie sie auch in tiefen Gesteinsschichten vorzufinden sind. Dazu brachten sie die Bakterienkulturen in Kontakt mit Uransalz-Lösungen in naturnahem Porenwasser des Tongesteins, behütet von einer vor dem Luftsauerstoff schützenden Stickstoff-Atmosphäre. Sie beobachteten dabei, dass die Bakterien das leicht wasserlösliche sechswertige Uran in schwerlösliches vierwertiges Uran umwandeln. Dieses schwerlösliche Uran können die Bakterien in Membranbläschen auf ihrer Zelloberfläche in Form von Verkrustungen abscheiden. Das Team vermutet, dass es sich hier um eine Abwehrreaktion der Mikroorganismen handelt – ein Verhalten, das sich zuvor schon bei anderen Bakterienarten beobachten ließ. „Nach einer Woche haben die Bakterien etwa 40 Prozent des ursprünglich gelösten Urans in die schwerlösliche Variante überführt“, berichtet Hilpmann.

Zudem hat das Team mit fünfwertigem Uran noch eine weitere Oxidationsstufe beobachtet, über deren Ausbildung in diesem Prozess zuvor nicht sehr viel bekannt war. Das ist vor allem seiner typischen Instabilität geschuldet. Die Forschenden vermuten, dass sie fünfwertiges Uran nur nachweisen konnten, weil die Bakterien es in Lösung zu einem gewissen Maß stabilisieren. So konnten sie diese Oxidationsstufe noch nach einer Woche nachweisen.

Multispektraler Blick in kontaminierten Untergrund

Um die verschiedenen Uranverbindungen beobachten zu können, nutzte das Team eine Reihe von modernen Spektroskopie- und Mikroskopie-Methoden. Die Forschenden des HZDR haben dabei am Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung sowie an der Rossendorf Beamline (ROBL), die das HZDR an der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble betreibt, Zugang zu sehr speziellen Techniken. Am französischen Standort etwa können sie radiochemische Vorgänge spektroskopisch untersuchen. Hier haben sie auch mit einem Verfahren namens HERFD-XANES die Bildung von fünfwertigem Uran im Prozess beobachtet.

HERFD-XANES steht für Fluoreszenzdetektion mit hoher Energieauflösung, die mit der Röntgen-Nahkanten-Absorptions-Spektroskopie gekoppelt ist. Es ist ein röntgenabsorptionsspektroskopisches Verfahren, mit der sich das Verhalten von Elektronen beobachten lässt. Die uranhaltigen Aggregate auf der Zelloberfläche von Desulfosporosinus konnte das Team mittels Rastertransmissionselektronenmikroskopie gekoppelt mit energiedispersiver Röntgenspektroskopie sichtbar machen.

„Unsere Erkenntnisse vertiefen unseren Blick auf das komplexe Geschehen in einem möglichen Endlager. Außerdem können sie relevant für die Remediation radioaktiver Schadstoffe aus kontaminierten Gewässern und damit deren Sanierung werden“, fasst Hilpmann die Bedeutung der Ergebnisse zusammen.


Den Artikel finden Sie unter:

https://www.hzdr.de/db/Cms?pOid=71669&pNid=99

Quelle: Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (04/2024)


Publikation:
S. Hilpmann, A. Rossberg, R. Steudtner, B. Drobot, R. Hübner, F. Bok, D. Prieur, S. Bauters, K.O. Kvashnina, T. Stumpf, A. Cherkouk, Presence of uranium(V) during uranium(VI) reduction by Desulfosporosinus hippei DSM 8344T, in Science of The Total Environment, 2023 (DOI: 10.1016/j.scitotenv.2023.162593 )
X-ray absorption spectroscopy reveals the transient oxidation state during microbial uranium(VI) reduction by a sulfate-reducing microorganism, ESRF Highlights 2023, Ed.: A. Joly, 2024
https://www.esrf.fr/home/UsersAndScience/Publications/Highlights/esrf-highlights-2023.html


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