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Freitag, den 15. September 2023 um 06:35 Uhr

Das erstaunliche Reich der Flechten: Forschungsteam entdeckt 28 neue Arten im Amazonasgebiet

Kolumbien ist das Land mit der dritthöchsten Artenvielfalt auf unserem Planeten, wenn es um die Diversität von Pflanzen und Wirbeltieren geht. Nun hat ein Forschungsteam des Botanischen Gartens Berlin gemeinsam mit seinen kolumbianischen Partnern belegt, dass diese Lebensfülle auch für die Organismengruppe der Flechten gilt: Nicht weniger als 666 Arten fanden sie auf Expeditionen im kolumbianischen Amazonasgebiet, darunter sind 28 neu für die Wissenschaft.

Über zehn Jahre hinweg untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Forscher des Botanischen Gartens Berlin (BO Berlin), des Instituto Amazónico de Investigaciones Científicas (Amazonasinstitut für wissenschaftliche Forschung SINCHI) und der Universidad Distrital Francisco José de Caldas (UDFJC) die Flechtenvielfalt des kolumbianischen Amazoniens. Das beeindruckende Zahlenergebnis überraschte auch die beteiligten Expert*innen: „In Sachen Flechten gehört das Amazonasgebiet damit wohl zu den artenreichsten Regionen unserer Erde“, so Dr. Robert Lücking, seit März 2023 Leiter der Forschungsabteilung am Botanischen Garten Berlin. Er ist einer der Autoren der gerade in der US-amerikanischen Fachzeitschrift The Bryologist veröffentlichten Abschluss-Studie des Projektes. „Bisher beschränken sich Analysen der Artenvielfalt fast immer auf Gefäßpflanzen und Wirbeltiere. Die eigentlich artenreichsten Organismengruppen der Insekten und Pilze, und damit auch die der Flechten, bleiben da-bei unbeachtet. Unsere Forschungsergebnisse erweitern nun die Perspektive und unterstreichen, wie schützenswert dieser Lebensraum ist", erläutert Lücking.

Globale Brennpunkte in Sachen Artenerhalt

Derzeit gibt es weltweit 36 so genannte Biodiversitäts-Hotspots. Maßgeblich für diese Bezeichnung ist die Anzahl der endemischen Pflanzenarten sowie die akute Bedrohungslage. Mit nur 10 % der Erdoberfläche decken die Länder, in denen die Biodiversitäts-Hotspots liegen, rund 70 % des weltweiten Artenreichtums ab. Kolumbien ist mit seinen westlichen Landesteilen und den zentralen Anden an zwei Hotspots beteiligt: dem „Tumbes-Chocó-Magdalena“, welcher von Panama bis nach Peru reicht und die an der Pazifikküste liegenden Bereiche ein-schließt, und dem „Tropische Anden“-Hotspot von Venezuela bis Bolivien.

Wie grundlegend die neuen Forschungsergebnisse das Bild für Kolumbien bereichern, erläutert Dr. Bibiana Moncada, Professorin an der UDFJC, Kustodin des dortigen Flechten- und Moosherbars und zurzeit Gastwissenschaftlerin am Botanischen Garten Berlin: "In Kolumbien beschränkte sich die Biodiversitätsforschung weitgehend auf die besser zugänglichen Küsten- und Andenregionen. Zwar gilt das Amazonasgebiet derzeit noch nicht als Biodiversitäts-Hotspot, allerdings fehlen ja auch noch umfassende Daten, und auch die Bedrohungslage nimmt zu“. Wilson Álvaro-Alba, Wissenschaftler des SINCHI-Instituts und Mitautor der Studie, ergänzt: “Es sind noch zahlreiche Gebiete im Amazonasgebiet zu erforschen. Die bisherige Arbeit ist ein Ergebnis der Strategie des SINCHI, gezielt auch Flechten und nicht nur vaskuläre Pflanzen in der Region zu sammeln und dann Expertinnen und Experten einzuladen, um diese Sammlungen zu bearbeiten“. Die aktuellen Zahlen könnten bei zukünftigen Analysen in der Tat noch steigen: „Über 1.000 Flechtenarten allein für das kolumbianische Amazonasgebiet sind realistisch", konstatiert Robert Lücking, „im Vergleich sind für das als Biodiversitäts-Hotspot geltende kolumbianische Chocó-Gebiet bisher etwa nur 400 Arten bekannt ".

Expertenforum heute in Berlin: Eine nachhaltige Zukunft für das kolumbianische Amazonasgebiet

Die seit 2022 amtierende Regierung Kolumbiens unter Gustavo Petro hat sich den Schutz des kolumbianischen Amazonas-Regenwaldes sowie eine nachhaltige Ressourcennutzung zum Ziel gesetzt. Am 13. September findet im Rahmen der „Amazonaswoche“ der Botschaft von Kolumbien in der Hauptstadt ein Expertenforum statt, das Wissenschaft und Politik zusammenbringt. Unter dem Titel "Kolumbien, ein Land im Amazonasgebiet: Bioökonomie im Zeichen von Biodiversität, Wissen, Nachhaltigkeit und Frieden" diskutieren unter anderem die Generaldirektorin des Amazonasinstituts SINCHI, Luz Marina Mantilla Cárdenas, die Generalkoordinatorin der Koordinierungsbehörde der indigenen Organisationen des Amazonasbeckens (COI-CA), Fany Kuiru Castro, Prof. Dr. Johannes Vogel, Generaldirektor des Museums für Naturkunde und Prof. Dr. Thomas Borsch, Direktor des Botanischen Gartens Berlin. Auch die Ergebnisse der Flechtenstudie werden vorgestellt.


Den Artikel finden Sie unter:

https://idw-online.de/de/news820556

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft e. V. / Freie Universität Berlin (09/2023)


Publikation:
Lichens from the Colombian Amazon: 666 Taxa Including 28 new Species and 157 New Country Records Document an Extraordinary Diversity
Autoren: Robert Lücking (BO Berlin), Bibiana Moncada (Universidad Distrital Francisco José de Cal-das), Wilson Álvaro-Alba, Norida Marín-Canchala, Sonia Sua Tunjano und Dairon Cárdenas-López (SINCHI)
https://doi.org/10.1639/0007-2745-126.2.242

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