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Dienstag, den 19. Juli 2011 um 07:21 Uhr

Intelligentes Material am Haken

Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms «Intelligente Materialien» (NFP 62) haben sich die Forscher des Adolphe Merkle Instituts (Freiburg) bei der Entwicklung von Polymeren mit Formgedächtnis am Beispiel der Seegurke inspiriert. Eine erste Anwendungsmöglichkeit könnte ein künstlicher Köder zum Angeln sein. Die Freiburger Wissenschaftler fassen aber auch schon andere – hochtechnologische – Anwendungen in der Medizin ins Auge.
Der künstliche Wurm ist völlig reglos, wenn Johan Foster, ein Forschungsgruppenleiter am Adolphe Merkle Institut (AMI), den Köder auf die Spitze des Angelhakens aufzieht. Kaum im Wasser beginnt er jedoch, sich hin und her zu winden und - zumindest für den menschlichen Betrachter - das Verhalten seines natürlichen Vorbilds zu imitieren. Unter dem Einfluss der Flüssigkeit nimmt dieses Stück Polymer mit Formgedächtnis seine ursprüngliche Geometrie wieder ein.
Wirbellos, aber intelligent
Auf dem Weg zu diesem Ergebnis liessen sich die Forscher des AMI um Christoph Weder und Johan Foster von der Seegurke inspirieren, einem im Meer lebenden Organismus, dessen eigentlich weiche Haut sich bei Berührung unmittelbar versteift, da sie zahlreiche Kollagenfasern enthält. Ist das Tier ruhig, so sind diese Fasern voneinander unabhängig. Sobald die Seegurke aber berührt wird, schüttet sie Peptide aus, die es diesen Fasern ermöglichen, sich miteinander zu verbinden und eine Art Gerüst zu bilden, das die Haut versteift. Selbstverständlich ist dieser Mechanismus umkehrbar, was die Haut der Seegurke zu einem natürlichen intelligenten Material macht.
Im Fall des künstlichen Wurms haben die Wissenschaftler des AMI kristalline Zellulose-Nanofasern in ein Polymer eingebettet. Diese Nanofasern sind natürlichen Ursprungs: Gewonnen werden sie etwa beim Auflösen von Baumwolle oder Papier. Auch wenn sie eine einfache Struktur aufweisen, sind ihre mechanischen Eigenschaften doch vergleichbar mit denen von Kohlenstoff-Nanoröhrchen. Wenn man sie in ein Polymer einbettet, verbinden sich diese Fasern über sogenannte Wasserstoffbrücken miteinander. Je nach Grösse und Konzentration der Fasern kann das Polymer dann so steif wie eine CD-Hülle werden. Durch Zugabe von Wasser jedoch werden diese Wasserstoffbrücken geschwächt: Das Polymer wird so weich wie Kautschuk. Auch hier ist der Mechanismus nach Belieben umkehrbar, was dieses Verbundmaterial zu einem intelligenten Material macht.
Formgedächtnis
Um einen künstlichen Wurm herzustellen, reicht es entsprechend, ein Stück dieses Materials zu befeuchten, es in die Länge zu ziehen, in alle Richtungen zu verdrehen und es anschliessend zu trocknen. Beim Trocknen gewinnen die Wasserstoffbrücken zwischen den Fasern wieder die Oberhand und lassen das Polymer in seinem verformten Zustand erstarren. Wirft man es erneut ins Wasser, werden die Verbindungen geschwächt, und es nimmt aufgrund der Elastizität wieder seine Ursprungsform an.
Auch wenn Köder ein erstes, einfach zu realisierendes Produkt wären, so wurden die künstlichen Würmer primär hergestellt, um die Eigenschaften und das Potential von Materialien mit Formgedächtnis zu demonstrieren. Christoph Weder und Johan Foster stellen sich für ihre Materialien auch hochtechnologische Einsatzmöglichkeiten vor. So könnten diese beispielsweise als Substrat für Elektroden dienen, die ins Gehirn implantiert werden. Solche Elektroden müssen möglichst steif sein, um eine äusserst präzise Platzierung sicherzustellen. Diese Steifigkeit beschleunigt jedoch die Abstossung durch den Organismus. Da die Gehirnflüssigkeit grösstenteils aus Wasser besteht, könnten die durch das AMI entwickelten Materialien beide Anforderungen erfüllen: Steifigkeit bei der Implantation und anschliessende Weichheit, um die Abstossung hinauszuzögern.


Den Artikel finden Sie unter:

http://www.snf.ch/d/medien/bilddesmonats/seiten/2011.aspx?NEWSID=1456&WEBID=705D0BF9-BC95-43E6-BF65-F8B316A4D74E

Quelle: Schweizerischer Nationalfonds SNF (06/2011)

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