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Samstag, den 08. Januar 2011 um 05:23 Uhr

Teilung unter Hochdruck

Um sich teilen zu können, muss sich eine Zelle erst einmal genügend Platz im Gewebe schaffen. Wie ihr das gelingt, war bisher unbekannt. Nun haben Forscher vom Departement Biosysteme der ETH Zürich entdeckt, dass sich Zellen bei der Teilung durch hydrostatischen Druck «aufpumpen». Dabei entwickeln sie eine enorme Kraft, mit der sie andere Zellen beiseite drücken.

Gewebe, wie zum Beispiel Haut oder Muskeln, bestehen aus einem dichten Netzwerk von Zellen, die eng miteinander in Kontakt stehen. Will sich eine einzelne Zelle in zwei Tochterzellen teilen, muss sie sich zunächst von ihren Nachbarzellen ablösen und zur Kugel abrunden. Gleichzeitig vergrössert sie ihr Volumen, und dafür benötigt sie zusätzlichen Platz. Wie sie diesen in einem dichten Zellverband schaffen kann, war bislang nicht geklärt.

Dieses Rätsel lösten nun Forscher um Daniel Müller, ETH-Professor für Biophysik, in Zusammenarbeit mit Forschern aus Dresden. Ihre Ergebnisse, die sie in der Zeitschrift «Nature» veröffentlicht haben, zeigen, dass tierische Zellen während der Teilung Wasser aufnehmen. Dadurch bauen sie einen hydrostatischen Druck auf, der sie aufbläht wie einen Ballon. Das erzeugt eine Kraft, die das umliegende Gewebe beiseitedrücken kann. «Zellen haben damit einen aktiven Prozess entwickelt, um sich Platz zu schaffen», ist Daniel Müller überzeugt.
Winziger Kraftprotz

Um die Kraft zu messen, die Zellen bei der Teilung entwickeln, benutzen die Forscher ein Rasterkraftmikroskop. Daran befindet sich eine nur wenige Hundertstel Millimeter lange Feder aus Silizium. Diese positionierten die Forscher nun oberhalb einer Zelle, die am Boden einer Petrischale angewachsen war und sich gerade zu teilen begann. Die Feder berührte die Zelle dabei zunächst nicht. Doch im Verlauf der Teilung dehnte sich die Zelle immer mehr aus und drückte die Feder nach oben. Die Kraft, die dabei gemessen werden kann, beträgt nur etwa 0,0000001 Newton. Das hört sich zwar nach wenig an, ist aber auf den Massstab einer Zelle bezogen sehr viel. Es entspräche in etwa der Kraft, die ein Mensch benötigen würde, um einen Elefanten zu stemmen.

Auf welche Weise es der Zelle gelingt, eine solche Kraft zu erzeugen, versuchten die Forscher in weiteren Versuchen herauszufinden. Dazu fahndeten sie nach Proteinen, die besonders während der Zellteilung aktiv werden. Schliesslich stiessen sie auf ein Transportprotein in der Zellhülle, das Natriumionen in das Zellinnere schleust und dadurch den Salzhaushalt reguliert. Sie beobachteten, dass immer dann besonders viel Natrium transportiert wird, wenn eine Zelle sich teilt. Das erzeugt eine osmotische Wirkung, die Wasser in das Zellinnere nachströmen lässt. Je mehr Wasser einströmt, desto mehr dehnt die Zelle sich aus.
Weiche Schale, harter Kern

Doch das allein würde der Zelle nicht genügen, um Kraft auf ihre Umgebung ausüben zu können. Denn ihre Hülle wäre zu weich und instabil. Daniel Müller vergleicht das mit einem aufgepumpten Fahrradschlauch, der nachgibt, wenn man darauf drückt. Erst durch den Mantel, der ihn in Form hält, wird der Schlauch prall. Bei den Zellen übernimmt diese Funktion das Zellskelett, das aus einem Netzwerk von Aktin-Molekülen, ebenfalls Proteine, besteht. Dieses liegt dicht unterhalb der Zellhülle und verleiht ihr Stabilität.

Zerstörten die Forscher mit Hilfe einer chemischen Substanz das Aktin-Netzwerk einer sich teilenden Zelle, dehnte sich diese noch weiter aus. Umgekehrt schrumpfte sie zusammen, wenn das Aktin zwar intakt gelassen, aber der Wassereinstrom blockiert wurde. Daraus schlossen die Wissenschaftler, dass zwei entgegengesetzte Kräfte zusammenwirken: eine nach aussen gerichtete, die die Zelle aufpumpt, und eine nach innen gerichtete Gegenkraft, die den Druck steigen lässt.

Bisher hat das Team um Daniel Müller einzeln wachsende Zellen untersucht, nicht aber solche innerhalb eines Gewebes. «Dafür ist unsere Messmethode noch nicht geeignet», erklärt er. Mikroskopische Untersuchungen haben aber Hinweise darauf geliefert, dass die gleichen Vorgänge auch in Geweben ablaufen. Ausserdem gelingt die Teilung nur dann, wenn ausreichend Platz vorhanden ist. Das schliessen die Forscher aus einem Experiment, in dem sie mit der Siliziumfeder so viel Druck auf eine Zelle ausübten, dass diese sich nicht ausdehnen konnte. Mehr als siebzig Prozent der so behandelten Zellen führten die Teilung nicht zu Ende und starben ab.

Den Druck, den die Zelle während des Teilungsprozesses aufbaut, muss sie aber irgendwann auch wieder ablassen. Woher sie weiss, wann dieser Zeitpunkt gekommen ist, können die Forscher noch nicht sagen. «Es muss ein Signal dafür geben», vermutet Müller. Diesem sind er und sein Team bereits in einem neuen Projekt auf der Spur.
Literaturhinweis


Den ganzen Artikel finden Sie unter:

http://www.ethlife.ethz.ch/archive_articles/111005_Zellteilung_cho/index

Quelle: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich) (01/2011)


Literaturhinweis
Martin P. Stewart, Jonne Helenius, Yusuke Toyoda, Subramanian P. Ramanathan, Daniel J. Muller & Anthony A. Hyman: Hydrostatic pressure and the actomyosin cortex drive mitotic cell rounding. Nature Advanced online publication (2 January 2011), doi:10.1038/nature09642

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