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Freitag, den 17. Dezember 2010 um 05:13 Uhr

Was passiert zwischen Tinte und Papier?

Um herauszufinden, wie Flüssigkeiten sich im Kontakt mit nanostrukturierten Oberflächen verhalten, haben die Wissenschaftler des Exzellenzclusters „Center of Smart Interfaces“ (CSI) der TU Darmstadt ein Nanoanalytiklabor gegründet.
Wasser und Schmutz abweisende Fenster oder Autolacke, hocheffiziente Solarzellen und Papier, auf das sich gestochen scharfe Bilder und Texte drucken lassen – eines haben diese auf den ersten Blick sehr unterschiedlichen Entwicklungsziele gemeinsam: Sie funktionieren nur, wenn ihre Oberflächen komplexe Strukturen aufweisen, deren Details nur wenige Nanometer messen, also etwa hunderttausendmal kleiner sind als die Dicke eines menschlichen Haares.

Um herauszufinden, wie Flüssigkeiten sich im Kontakt mit solchen nanostrukturierten Oberflächen verhalten, haben die Wissenschaftler des Exzellenzclusters „Center of Smart Interfaces“ (CSI) der TU Darmstadt ein Nanoanalytiklabor gegründet. Fünf jeweils mehrere hunderttausend Euro teure Rasterkraftmikroskope ermöglichen es, einzelne Moleküle sichtbar zu machen, indem sie die Oberfläche mit einer Nadel abtasten, die an ihrer Spitze nur wenige Nanometer dick ist. Daher können die Forscher bis ins kleinste Detail untersuchen, was zwischen den Oberflächen und den Flüssigkeiten passiert, wenn sie in Kontakt miteinander kommen.

Rasterkraftmikroskope mit unterschiedlichen Aufgaben

Die Forschungsziele sind gleichzeitig anspruchsvoll und für die Anwendung interessant. Zum Beispiel wollen die Forscher herausfinden, was zwischen einem Tintentropfen und einer Papieroberfläche passiert. Relevant ist diese Frage für künftige Tintenstrahldrucker, die besonders kleine Tintentröpfchen auf das Papier bringen sollen, um hochauflösende Drucke zu ermöglichen. Das Problem dabei: auf herkömmlichem Papier zerfließen die Tropfen. Auf stark wasserabweisendem Papier tun sie das zwar nicht; stattdessen perlen sie von dort aber wieder ab. Die Darmstädter CSI-Forscher wollen verstehen, wie dieser Effekt von der Porenstruktur des Papiers abhängt.

Das Nanoanalytiklabor verfügt über fünf unterschiedliche Rasterkraftmikroskope  eine Konzentration an komplementären Geräten, wie sie an kaum einer deutschen Universität vorhanden ist. „Jedes der fünf Mikroskope hat eine besondere Stärke“, sagt Privatdozent Dr. Elmar Bonaccurso, Leiter der Nachwuchsgruppe „Experimental Interface Physics“ am CSI, der im Juli 2010 nach Darmstadt berufen worden ist und zuvor am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz geforscht hat. Eines der Geräte eigne sich, um die Elastizität einer Oberfläche zu messen, indem es seine Spitze in die Oberfläche hineindrückt. Die Stärke eines anderen Mikroskops bestehe darin, die elektrischen Eigenschaften einer Oberfläche, also etwa die elektrische Leitfähigkeit, nanometergenau zu bestimmen. Ein weiteres Gerät sei sehr schnell und könne ein Bild binnen weniger Sekunden aufnehmen, sodass es im Prinzip möglich sei, die Benetzungsphänomene von kleinen Flüssigkeitsmengen auf der Oberfläche zu beobachten.

Forschung kann technische und biologische Fragen beantworten

„Wir wollen ganz allgemein verstehen, wie Oberflächen-Effekte – z.B. der Selbstreinigungseffekt – mit der Nanostruktur der Oberfläche in Beziehung stehen“, beschreibt Bonaccurso ein Ziel seiner Forschung. Ein detailliertes Verständnis fehle bislang bei den meisten Anwendungen. Es sei aber unverzichtbar, um gezielt nanostrukturierte Oberflächen entwerfen zu können, die bestimmte Effekte aufweisen. Bislang sei es in der Industrie üblich, Oberflächeneffekte durch das Ausprobieren verschiedener Strukturen zu erreichen. „In Zukunft soll es möglich sein, neue Oberflächen direkt durch Computersimulation zu entwickeln“, sagt der Wissenschaftler. Perspektivisch könnte z.B. simuliert werden, wie die Papieroberfläche beschaffen sein muss, damit kleine Tintentröpfchen nicht abperlen.

Aber nicht nur technische, sondern auch biologische Systeme wollen die CSI-Forscher in ihrem neuen Nanoanalytiklabor untersuchen. Prof. Dr. Robert Stark, der im April von der Ludwig-Maximilians-Universität München an das CSI in Darmstadt wechselte, untersucht beispielsweise Blutplättchen mit den Rasterkraftmikroskopen. „Dieser intelligente Klebstoff sorgt dafür, dass kleinste Verletzungen der Blutgefäße sofort verheilen“, sagt Stark. Allerdings setzen sich die Plättchen manchmal haufenweise an kleinen entzündlichen Stellen im Blutkreislauf ab und bilden einen so genannten Thrombus. Von diesem lösen sich manchmal ganze Klumpen von Blutplättchen und verstopfen kleine Gefäße des Herzens oder des Gehirns. Die Folgen können Hirnschlag oder Herzinfarkt sein. „Wir möchten herausfinden, wie die Blutplättchen auf biochemische und mechanische Reize im Blutkreislauf reagieren, um zu verstehen, warum sie bei bestimmten Strömungsverhältnissen in der Blutbahn Ablagerungen bilden, die das Gefäß verschließen können“, beschreibt Stark ein Ziel seiner Forschung.

Auch die Halbleiterindustrie interessiere sich für die Möglichkeiten des Darmstädter Nanoanalytiklabors, sagt Stark. Die Halbleiterstrukturen der modernen Elektronik werden immer kleiner, längst haben sie den Nanomaßstab erreicht. Mit den Rasterkraftmikroskopen lässt sich untersuchen, wie leicht diese filigranen Strukturen brechen. Diese Erkenntnisse könne die Industrie nutzen, um die Herstellungs- und Reinigungsprozesse so auszulegen, dass möglichst keine Schäden auftreten, erklärt Stark.

CSI investiert mehr als 1 Million Euro in Nanoanalytiklabor

Momentan befinden sich die Rasterkraftmikroskope noch in zwei getrennten Labors. Ab 2012 werden sie in einem Forschungsgebäude zusammengeführt, das die TU Darmstadt derzeit für das CSI erbaut. Dort werden die Mikroskope durch weitere chemische, physikalische und biochemische Labore sinnvoll ergänzt. Bis 2012 werden mithilfe des Exzellenzclusters, der Professur Starks und Bonaccursos Nachwuchsgruppe mehr als 1 Million Euro in den Aufbau des CSI-Nanoanalytiklabors investiert. „Das Labor soll allen interessierten Mitgliedern der TU Darmstadt zur Verfügung stehen und ein Anziehungspunkt für die Lösung neuer interdisziplinärer Fragestellungen in den Natur- und Ingenieurwissenschaften sein“, sagt Bonaccurso.


Den Artikel finden Sie unter

http://www.tu-darmstadt.de/vorbeischauen/aktuell/pm_27072.de.jsp

Quelle: TU Darmstadt (12/2010)

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