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Donnerstag, den 16. September 2010 um 02:00 Uhr

Knobelspiel mit einem Quantenwürfel

Hinter jedem Zufall steckt ein Plan, zumindest in der Welt der klassischen Physik: Im Prinzip lassen sich hier alle Geschehnisse berechnen, auch der Fall eines Würfels oder der Ausgang eines Roulette-Spiels. Ein Gerät, das mit echtem Zufall arbeitet, haben Forscher der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und des Max-Planck-Instituts für die Physik des Lichts konstruiert. Ihre Apparatur liefert zufällige Zahlen, die prinzipiell nicht vorhergesagt werden können, und zwar mit Hilfe der Quantenphysik.
Die Forscher nutzen aus, dass quantenphysikalische Messungen ein spezielles Ergebnis nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, also zufällig, ergeben können. Echt zufällige Zahlen werden benötigt, um Daten sicher zu verschlüsseln oder zuverlässig ökonomische Prozesse und Klimaveränderungen zu simulieren. (Nature Photonics online Veröffentlichung, 29. August 2010)

Was wir landläufig Zufall nennen, entspringt nur einem Mangel an Wissen: Wenn wir Ort, Geschwindigkeit und alle anderen klassischen Eigenschaften sämtlicher Teilchen im Universum absolut genau kennen würden, könnten wir fast alle Prozesse in der Welt unserer Alltagserfahrung vorhersagen. Selbst der Ausgang eines Knobelspiels oder die Lottozahlen ließen sich dann be rechnen. Schon gar nicht zufällig sind die Ergebnisse, die Computerprogramme liefern, auch wenn sie dafür gemacht sind: „Sie gaukeln Zufall nur vor, mit geeigneten Tests und einer ausreichenden Datenmenge lässt sich darin aber meist schon ein Muster erkennen“, sagt Christoph Marquardt. Eine Forschergruppe um Gerd Leuchs und Christoph Marquardt am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sowie Ulrik Andersen von der Technischen Universität Dänemark hat dagegen einen Generator für echten Zufall entwickelt.

Den gibt es nur in der Quantenwelt: Mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit hält sich ein Quantenteilchen mal an diesem Ort und mal an jenem auf, bewegt sich mal mit dieser Geschwindigkeit und mal mit jener. „Diese Zufälligkeit quantenmechanischer Prozesse nutzen wir aus, um Zufallszahlen zu produzieren“, sagt Christoph Marquardt.

Als Quantenwürfel dienen den Wissenschaftlern Vakuumfluktuationen – eine weitere Eigenheit der Quantenwelt: Nichts gibt es hier nicht. Selbst in absoluter Dunkelheit ist die Energie eines halben Photons vorhanden, die zwar unsichtbar bleibt, aber in ausgeklügelten Messungen Spuren hinterlässt: das so genannte Quantenrauschen. Dieses völlig zufällige Rauschen entsteht dabei erst, wenn die Physiker hinsehen, also eine Messung vornehmen.

Nützlich für die Sicherheitstechnik
Das quantenmechanische Würfelspiel haben die Forscher natürlich nicht zum Zeitvertreib in ihren Kaffeepausen ausgetüftelt. „Echte Zufallszahlen sind schwer zu erzeugen, aber in vielen Bereichen gefragt“, sagt Gerd Leuchs, Direktor am Erlanger Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts. Vor allem die Sicherheitstechnik braucht zufällige Zahlenkombinationen, um damit etwa den Transfer von Bankdaten zu verschlüsseln. Mit Zufallszahlen lassen sich aber auch komplexe Prozesse simulieren, deren Ausgang von Wahrscheinlichkeiten abhängt. So sagen Ökonomen mit solchen Monte-Carlo-Simulationen Entwicklungen auf Märkten voraus, und Meteorologen entwickeln damit Modelle von Wetter- und Klimaveränderungen.

Dass die Erlanger Physiker die Zufallszahlen ausgerechnet mit den schwer greifbaren Vakuumfluktuationen auswürfeln und nicht mit einem der zahlreichen anderen zufälligen Quantenprozesse, hat einen triftigen Grund. Beobachten Physiker etwa die Geschwindigkeitsverteilung von Elektronen oder das Quantenrauschen eines Lasers, wird das zufällige Quantenrauschen meist von klassischem Rauschen überlagert. Das wiederum ist letztlich eben nicht zufällig. „Wenn wir das Quantenrauschen eines Laserstahls messen wollen, beobachten wir auch klassisches Rauschen, das zum Beispiel von einem wackelnden Spiegel stammt“, sagt Christoffer Wittmann, der an dem Experiment mitgearbeitet hat. Als Prozess der klassischen Physik lässt sich das Vibrieren des Spiegels prinzipiell berechnen und verdirbt das Würfelspiel.

„Wir erhalten zwar auch einen Anteil klassischen Rauschens durch die Messelektronik“, sagt Wolfgang Mauerer, der dies im Experiment untersucht hat. „Wir kennen unser System aber sehr gut und können diesen Anteil sehr genau berechnen und entfernen.“ Quantenfluktuationen erlauben es den Physikern aber nicht nur, das reine Quantenrauschen zu belauschen, außer ihnen kann auch keiner mithören. „Die Vakuumfluktuationen liefern einzigartige Zufallszahlen“, sagt Christoph Marquardt. Bei anderen Quantenprozessen fällt dieser Nachweis schwerer und es besteht die Gefahr, dass ein Datenspion eine Kopie der Zahlen erhält. „Das wollen wir natürlich vermeiden, wenn es um Zufallszahlen für Datenschlüssel geht“, sagt Marquardt.

Auch wenn der Quantenwürfel auf einige geisterhafte Phänomene der Quantenwelt setzt, die unserer Alltagserfahrung völlig widersprechen - besonders ausgeklügelte Geräte brauchen die Physiker nicht, um sie zu beobachten. Die technischen Komponenten ihres Zufallsgenerators gehören vielmehr zur Grundausstattung vieler Laserlabore. „Wir brauchen für den Aufbau weder einen besonders guten Laser noch besonders teure Detektoren“, erklärt Christian Gabriel. Das dürfte ein Grund mehr sein, warum sich bereits Unternehmen für die Technik interessieren, um sie kommerziell zu nutzen. Wer die Zufallszahlen selbst testen möchte, kann sie unter http://www.mpl.mpg.de/quantumbits herunterladen.


Weitere Informationen zum quantenmechanischen Zufallsgenerator:
http://www.mpl.mpg.de/quantumbits


Den Artikel finden Sie unter:

http://idw-online.de/pages/de/news385129

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft / Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (09/2010)


Originalveröffentlichung:
Christian Gabriel, Christoffer Wittmann, Denis Sych, Ruifang Dong, Wolfgang Mauerer, Ulrik L. Andersen, Christoph Marquardt und Gerd Leuchs:
„A generator for unique quantum random numbers based on vacuum states“
Nature Photonics, online Veröffentlichung, 29. August 2010, DOI:10.1038/NPHOTON.2010.197

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