Der Algorithmus STIGMA kann durch maschinelles Lernen prognostizieren, ob Genvarianten mit angeborenen Erkrankungen zusammenhängen. So ermöglicht er bessere genetische Diagnosen. Entwickelt wurde STIGMA (single-cell tissue-specific gene prioritization using machine learning) von einem Team um Saranya Balachandran, Dr. Varuun Sreenivasan und Prof. Dr. Malte Spielmann, Institut für Humangenetik des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein und der Universitäten in Kiel und Lübeck. Durch die Arbeit mit STIGMA wurden bereits mehrere neue Krankheitsgene identifiziert.
Ein Team des Instituts für Humangenetik des Universitätsklinikums
Schleswig-Holstein (UKSH), der Medizinischen Fakultät der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Universität zu Lübeck
hat einen Algorithmus entwickelt, der durch maschinelles Lernen
vorhersagen kann, ob Genvarianten für bestimmte Krankheiten
verantwortlich sein können. So ermöglicht er bessere Diagnosen bei
seltenen angeborenen Erkrankungen. Durch die Arbeit mit dem STIGMA
genannten Algorithmus (das Akronym steht für single-cell tissue-specific
gene prioritization using machine learning) haben die Forschenden
bereits mehrere neue Krankheitsgene identifiziert.
Bei nur
ungefähr einem Drittel der über 21.000 menschlichen Gene ist bekannt,
welche Funktion sie haben. Darüber hinaus trägt jeder Mensch Varianten
in seinem Genom, die zum großen Teil zur normalen persönlichen
Variabilität gehören, aber auch Krankheiten verursachen können. Bei
einem Verdacht auf eine seltene angeborene Erkrankung werden bei
genetischen Analysen immer wieder Varianten gefunden, die nicht
einzuordnen sind. Um herauszufinden, ob sie im konkreten Fall eine Rolle
spielen, sind in der Regel aufwendige experimentelle Untersuchungen
nötig.
Der Algorithmus STIGMA vergleicht bekannte Krankheitsgene
in der Embryonalentwicklung mit potentiellen neuen Krankheitsgenen. Die
Daten zu den bekannten Genen stammen zum Beispiel aus Einzelzellanalysen
(single-cell sequencing) wie dem Human Cell Atlas. „Der Algorithmus
kann anhand von Krankheitsgenen erkennen, in welchen Geweben zum
Beispiel des Herzens besonders häufig ähnliche Gene exprimiert sind, die
dann auch zu einer Erkrankung führen. Er kann prognostizieren, ob ein
Gen, in dem wir eine Variante gefunden haben, für eine Krankheit
verantwortlich ist oder eher eine Normvariante darstellt, die nichts
damit zu tun hat. So bekommt jedes Gen einen Krankheits-Score, den wir
STIGMA-Score nennen“, erklärt Saranya Balachandran, Erstautorin und
wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Humangenetik. Sie hat
zusammen mit Dr. Varuun Sreenivasan, Letztautor und wissenschaftlicher
Mitarbeiter des Instituts für Humangenetik, den Algorithmus entwickelt.
Durch
den neuen Algorithmus konnten bereits mehrere neue Krankheitsgene
identifiziert werden, die zu angeborenen Herzfehlern führen;
identifiziert wurde auch ein weiteres Gen, das Fehlbildungen der Hände
verursacht. „Bislang verhelfen genetische Analysen bei Patientinnen und
Patienten nur in etwa 30 Prozent der Fälle auch zu einer Diagnose.
STIGMA kann dieses Ergebnis deutlich verbessern. Gleichzeitig erweitern
wir unser Wissen über die Funktion einzelner Gene – ohne weitere
aufwendige Experimente, allein durch die Anwendung maschinellen
Lernens“, sagt Prof. Dr. Malte Spielmann, Direktor des Instituts für
Humangenetik und ebenfalls Letztautor der Veröffentlichung.
Beteiligt
an der Arbeit waren Expertinnen und Experten der Klinik für angeborene
Herzfehler und Kinderkardiologie des UKSH, Campus Kiel, des
Max-Planck-Instituts für Molekulare Genetik in Berlin, des Instituts für
Medizinische Genetik und Humangenetik der Charité Universitätsmedizin
Berlin, des Instituts für Medizinische Genetik der Universität
Oldenburg, des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung und eine
Forschungseinrichtung in Pakistan.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.uksh.de/Service/Presse/Presseinformationen/2024/KI_basierter+Algorithmus+erm%C3%B6glicht+bessere+genetische+Diagnosen-p-209913.html
Quelle: Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (01/2024)
Publikation:
Saranya
Balachandran et al., STIGMA: Single-cell tissue-specific gene
prioritization using machine learning, The American Journal of Human
Genetics, 2024
https://doi.org/10.1016/j.ajhg.2023.12.011